Bis hier her war die Reise ein Motorrad Urlaub, eine Ausfahrt, eine Runde durch Osteuropa; ab jetzt wird alles anders. Bei unserer Planung war klar: Es gibt keine Weltreise ohne Russland! Man kann doch das größte Land der Erde nicht auslassen. Über Russland hört man viel, aber nicht viel Gutes und auf Youtube sind Videos von Verkehrsunfällen auf russischen Straßen der Renner.
Da war sie, knapp 100 km Fahrt nach unserem Abschied mit Christian: die Grenze nach Russland.
Für uns war sie mehr als einfach nur ein Übergang von einem Land zu einem anderen. Wer fährt schon nach Russland? Ich kenne wenige, und die meisten davon sind Russen.
Wie weggefegt der Urlaubsgedanke – es wird Ernst!
Vor dem Grenzübertritt haben uns einige Foren, Finnen und Freunde gewarnt. Im Endeffekt war es halb so schlimm. Viele Formulare und kritische Fragen, niemand sprach Englisch und zu guter Letzt wurden wir noch in eine Art Verhörraum gesetzt. Zusammen mit einem 18 jährigen Amerikaner mit israelischen Wurzeln und russischem Stiefvater, der sein Visum überzogen hatte – Der Raum für die schweren Fälle.
Verhört wurden wir von einer Art Undercover Grenzer im Adidas Jogging Anzug. Er verfügte wohl über die besten englisch Kenntnisse an dieser Grenze. Gut, dass unser Patchwork Freund übersetzen konnte. Nach einer Reihe schwieriger Fragen:
- Aus welchem Land kommt ihr?
- Was arbeitet ihr?
- Warum habt ihr so viele Visa aus muslimischen Länder?
- Warum reist ihr mit dem Motorrad?
–> Weil es Spass macht!
Da musste auch der Grenzer schmunzeln.
Die Grenze passiert, änderte sich die Landschaft kaum, aber die Orte sahen aus wie 40 Jahre zurück in der Zeit (ich war nicht da, aber so stelle ich es mir vor).
Die befürchteten Straßenverhältnisse blieben aus. Allerdings hatten wir auch Schlimmes erwartet. Zum größten Teil waren sie in Ordnung. Hin und wieder gibt es jedoch Schlaglöcher, die einem Biker einige Schäden zufügen können. Neu waren auch die kyrillischen Straßenschilder. Es wird interessant!
Nach knapp 2h Fahrt stehen wir vor den Toren von Sankt Petersburg. Ich muss zugeben, dass ich noch nicht bereit war für 5 Mio Einwohner und 2300 Paläste. Meine Gedanken waren noch in Finnland bei den Seen. Ich brauchte Zeit zur Akklimatisierung. Unsere Unterkunft haben wir glücklicherweise wieder über Couchsurfing gefunden. Wir kamen bei Phil und Julia in Pawlowsk, einem Vorort von Sankt Petersburg, unter. Die beiden sind Lehrer an einer Privatschule für privilegierte Kids in einem privaten Gelände mit privatem Park und Schloß und leben auch dort.
Sankt Petersburg – eine Klasse für sich
Am Tag nach unsere Ankunft nehmen sie uns mit auf eine Sight Seeing Tour. Sight Seeing mit Lehrern macht Spaß, Du bekommst nicht nur viele Informationen, sondern wirst auch darüber abgefragt! Sankt Petersburg hat es in sich. Paläste, Kirchen, Museen und Plätze reihen sich aneinander. Wenn Sankt Petersburg noch nicht auf Deiner Reiseliste ist, dann schreib es auf! Ich mag Seen aber Sankt Petersburg ist Klasse!
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Besonders interessant sind die Geschichten um Peter den Großen (er maß angeblich 2,15m), dem Gründungsvater der Stadt. Peter reiste inkognito nach Europa, um die dortige Gesellschaft und Technologie, insbesondere den Schiffbau zu studieren. Er machte sogar eine Lehre zum Zimmermeister. Geschichten, die das Herz Reisender höher schlagen lassen. Nahezu alle Sympathien verspielte er wieder, da er nach Rückkehr seiner Reise das Tragen von Bärten verbot.
Ironischerweise wurden wir übrigens vor den kalten Temperaturen in Sankt Petersburg gewarnt. Als wir dort waren hatten wir die heißesten Maitage seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Das gab Raum für Sehenswürdigkeiten der anderen Art.
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Reisen wegen den Menschen
Einmal mehr wurde deutlich, wie sehr Reisen von den Menschen geprägt werden, die man unterwegs kennenlernt. Couchsurfing ist dafür das beste Werkzeug. Phil und Julia waren nicht nur großzügige Gastgeber, sondern hatten auch fantastische Geschichten auf Lager. So haben sich die beiden kennengelernt, als Phil am Beginn einer ausgedehnten Reise durch Asien war und Sankt Petersburg besuchte.
Während einer bösen Krankheit, wurde er von ihrer Mutter gesund gepflegt und nahm als Dank Julia mit auf seine Reise. 3 Jahre lang waren sie unterwegs und erkundeten die entlegendsten Gebiete zwischen Russland und Malaysia. Danach wurden die beiden Englisch Lehrer in China. Unter furchtbaren Bedingungen (4 Monate Urlaub, Apartment, Verpflegung und westliches Gehalt inklusive) arbeiteten sie dort für 4 Jahre und setzen ihre Reisen in der freien Zeit fort. Mittlerweile sind sie an Julias Geburtsort zurück gekehrt, wo sich unsere Wege kreuzten.
Erste Schritte als Lehrer
Unsere Gastgeber luden uns ein an einer Unterrichtsstunde teilzunehmen und über unsere Reise zu berichten. Die Kids waren aufgeweckt und fit in Englisch. Kein Wunder, bestand die Klasse aus gerade mal 4 Kindern. Zum Ende der Stunde versuchte Julia ein Experiment: Die Kinder sollten notieren, was typisch für Deutschland ist. Neben den üblichen Verdächtigen, Bier und Autos, schaffte es der skurrilste Punkt leider nicht auf die Tafel – wahrscheinlich war es dem Jungen doch zu unangenehm. Aber seiner Meinung nach ist es typisch deutsch langweilige Witze zu erzählen!
Hey Stefan,
schöner Bericht! Gibt’s jetzt ne Umschulung zum Lehrer? Reisetechnisch ist dies durchaus zu empfehlen:-). Habt weiter Spaß!
Gruß
Oliver
PS: „Grenzen“ zu überwinden ist nie so wild wie die Geschichten derer, die sie schon überwunden haben:-)
Hi Oli,
Umschulungsplaene sind noch in der Schublade :-) Aber wer weiss..
Das mit den Grenzen st so richtig!
Bretzel, Einstein ? das kam aus deren Mund ? Die sehen aus wie 12… Steht in den Lehrbücher drin das Deutsche nur Bretzeln essen ? :) Und dafür zahlen die Eltern extra ;) Ich möchte dort auch lehren. Weiter gute Reise und lasst euch nicht von zu viel Gastfreundlichkeit die Wahrnehmung trüben. PS bitte auch kein Alkohol mit Russen trinken das überlebt ihr nicht. *Junggesellen Abschied*
Giuse, du wirst es kaum glauben, aber in Russland haben wir mehr Bier angeboten bekommen als Vodka. Aber nur als Tipp, leg dich nicht mit polnischen Frauen an, die saufen dich richtig unter den Tisch. ;-)
Sehr sehr schöne Erfahrungen…vor allem vor dem Hintergrund, dass wir besonders z.Z. sehr vernebelt sind von all der negativen und reduktiven Berichterstattung. Das mit den Kidz is genial. Ihr habt bestimmt einen bleibenden, positiven Eindruck hinterlassen, und konnten hoffentlich das Stereotyp des unlustigen Deutschen beseitigen in dem ihr paar Witze erzählt habt?! :) Viel Spaß noch und Gute, Sichere Fahrt Jungs!
Hi Amir,
es ist wirklich extrem interessant sich auch mal die andere Seite anzuhoeren!
Hey Amir, schön, dass du unseren Blogs verfolgst. LG :-)
Klasse Bericht, musste mehrmals laut lachen =) Aber wie es eigentlich mit dem Visum und der Registierung – ich habe gehört, dass man sich innerhalb von 3 Tagen registieren muss, sofern man länger als 3 Tage in einer Stadt verweilt. Was ist aber, wenn man nirgends länger als 3 Tage bleibt und sich entsprechend gar nicht registiert – gibt es dann nicht Probleme bei der Ausreise?
LG, Silke
Hi Silke,
wir mussten uns in Russland gar nicht registrieren und waren in verschiedenen Städten länger als 3 Tage; die Ausreise war dann auch kein Problem
Liebe Grüße
Stefan